Die Fahrt zum Lac d`Emosson, Spektakel pur

Martigny-Finhaut-lac d`emosson-Les Montuires-Le Châtelard VS

 

Die Reise führt zuerst mit der meterspurigen Martigny-Châtelard Bahn zuhinterst ins Valle du Trient, nach Finhaut.

Mit einem Linienbus der TMR geht es auf knapp 2`000 Meter über Meer zur Staumauerkrone des Lac d`Emosson. Nach einem Aufenthalt am zweitgrössten Stausee der Schweiz warten drei spektakuläre Bergbahnen auf die Fahrgäste. Der Anfang macht ein Schräglift, welcher einem zum Fuss der Staumauer bringt. Mit der einzigen im Kursbuch erwähnten Eisenbahnlinie, welche eine Spurweite von 600mm aufweist, führt die Reise zum Wasserschloss Les Montuires. Schliesslich geht es mit einer der steilsten Standseilbahnen der Welt hinunter nach  Châtelard, der letzten Ortschaft vor der französischen Grenze.

Der rote TMR Zug wartet in Martigny auf die Fahrgäste
Der rote TMR Zug wartet in Martigny auf die Fahrgäste

132, Martigny-Salvan-Finhaut

Ausgangspunkt dieser Reise ist Martigny. Die an der Simplonbahnlinie liegende Stadt ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Neben diversen PostAuto-Linien wie zum Beispiel über den Col de la Forclaz starten hier auch die Eisenbahnstrecken nach Orsières / Le Châble und Chamonix. Stündlich nehmen die rot weissen Züge die 18 Kilometer lange meterspurige Strecke durchs Vallée du Trient zum Grenzbahnhof Le Châtelard-Frontière in Angriff. Bevor die Strecke anfängt zu steigen, führt die Linie durch den Talboden, 

Hinter dem Bahnhof Vernayaz beginnt der spektakuläre Zahnstangenabschnitt hoch nach Salvan
Hinter dem Bahnhof Vernayaz beginnt der spektakuläre Zahnstangenabschnitt hoch nach Salvan

auf dem Trasse der ehemaligen Trambahn nach Vernayaz. Aus diesem Grund wurde auf diesem Abschnitt schon immer mit einer strassenbahnkompatiblen Oberleitung gefahren. Ab Vernayaz, wo sich die Depotanlagen der ehemaligen Martigny-Châtelard-Bahn (MC) befinden, ist für die elektrische Versorgung eine seitliche  Stromschiene zuständig. Dieses in der Schweiz einzigartige System wurde 1906 gewählt, um einmal durchgängige Züge bis nach Frankreich anbieten zu können. Doch zurück zur Reise. Nun wird der spektakulärste Teil in Angriff genommen.

Der TMR Zug nimmt die Zahnradstrecke hoch nach Salvan in Angriff
Der TMR Zug nimmt die Zahnradstrecke hoch nach Salvan in Angriff

Auf dem folgenden Zahnstangenabschnitt nach Salvan werden innert kürzester Zeit 400 Höhenmeter überwunden. Das Eisenbahntrasse schmiegt sich mit bis zu 200 ‰ Steigung an der steil abfallenden Felswand empor. Dabei ergibt sich ein gigantischer Ausblick hinunter ins Rhonetal. Nach mehreren Kehren und kurzen Tunnelabschnitten trifft der Zug zehn Minuten später im Bahnhof von Salvan ein. 1902 wurde die Compagnie du Chemin de fer de Martigny au Châtelard (MS) gegründet. Trotz der nicht ganz einfachen topographischen Gegebenheiten,

Triebzug BDeh 4/8 auf dem Weg nach Marécottes
Triebzug BDeh 4/8 auf dem Weg nach Marécottes

dessen Linienführung den Bau von 46 grösseren Viadukten und 12 Tunnels erforderte, konnte die Strecke nach 4 Jahren Bauzeit eröffnet werden. Schon zu Beginn pflegte die MC guten Kontakt zur französischen Nachbarsbahn. So konnte noch vor der Eröffnung ein Betriebsvertrag für den grenzüberschreitenden Abschnitt  Châtelard–Vallorcine unterzeichnet werden. 1957 verkehrte dann der erste durchgehende Zug zwischen Martigny und Chamonix. Heute werden die Internationalen-Verbindungen von der TMR und SNCF gemeinsam unter dem Namen Mont-Blanc Express vermarktet. 

Auf der ganzen Fahrt wird man von einem eindrücklichen Ausblick ins Valle de Trient begleitet
Auf der ganzen Fahrt wird man von einem eindrücklichen Ausblick ins Valle de Trient begleitet

Die Eisenbahnlinie gewinnt nun weiter an Höhe und führt nach Les Marécottes. Der malerische Ortskern sowie der Alpenzoo mit Naturschwimmbad macht die Ortschaft zu einem beliebten Reiseziel. Die Fahrt führt nun immer weiter ins Valle du Trient hinein. Die Stromzufuhr wechselt dabei immer wieder von der klassischen Oberleitung auf die seitliche Stromschiene. Eigentlich ist diese vor allem in Frankreich sehr verbreitete Variante der Stromversorgung in der Schweiz seit 1980 nicht mehr zulässig (keine spannungsführenden Leitungen in Bodennähe). 

 

Eine ältere BDeh 4/4 mit Steuerwagen hat Finhaut erreicht
Eine ältere BDeh 4/4 mit Steuerwagen hat Finhaut erreicht

Da die Tunnels jedoch zu niedrig für einen Oberleitungsbetrieb sind, wurden lediglich die Bahnhöfe und offenen Abschnitte umgestellt. Das Trasse schlängelt sich an recht exponierter Lage am Berghang entlang. Nur dank zahlreichen Lawinengalerien und Tunnels ist die Strecke seit 1931 auch im Winter befahrbar. Vorbei an den kleinen Ortschaften La Médettaz und Le Trétien, wo nur auf Verlangen angehalten wird, gelangt der rot-weisse Zug nach Finhaut. Hier, rund vier Kilometer vor der französischen Grenze, ist mit 1`225 Metern der höchste Punkt der Strecke erreicht. 

 

Vor dem Bahnhof von Finhaut wartet der Bus auf die Gäste
Vor dem Bahnhof von Finhaut wartet der Bus auf die Gäste

12.230, Finhaut-Lac d`Emosson

Der Bahnhofsplatz des schmucken Stationsgebäude von Finhaut ist von mitte Juni bis ende August Ausgangspunkt der Buslinie 230. Fünf mal am Tag verbindet der TMR Bus die Ortschaft Finhaut mit dem Lac d`Emosson. Da es sich um eine touristische Linie handelt, wird ein kleiner Zuschlag erhoben, welcher direkt beim Fahrer gelöst werden kann. Sobald die Gäste vom Zug umgestiegen sind, kann die 20 minütige Bergfahrt in Angriff genommen werden. Nach dem Passieren des Dorfkerns biegt der Linienbus auf die Bergstrasse ab.

Der TMR Bus unterwegs auf der steilen Bergstrasse
Der TMR Bus unterwegs auf der steilen Bergstrasse

Die Strecke zwischen Finhaut und der Staumauer von Emosson  führt durch eine herrliche Landschaft, welche jenen der grossen Alpenpässe in nichts Nahe steht. Mit mehreren Spitzkehren windet sich die Strasse auf den Col de la Gueulaz hoch. Unterwegs ergibt sich ein gigantischer Ausblick ins Tal hinunter. Insgesamt werden auf 7 Kilometer stolze 700 Höhenmeter bezwungen. Diese steile Route zieht auch viele Velofahrer an, nicht zuletzt weil Emosson 2016 Zielort einer Tour der France Etappe war. Für den Linienbus und die geübten Fahrer stellt dies jedoch keine grosse Herausforderung dar.

Auf 1`960 Meter endet die Buslinie
Auf 1`960 Meter endet die Buslinie

Die Fahrstrasse wurde seinerzeit für den Bau der neuen Staumauer von Emosson erbaut. Dabei wurde die 1925 erbaute Talsperre von Barberien, die sich im hinteren Seeteil befand,  geflutet. Bei niedrigem Wasserstand kann man die Überreste der alten Mauerkrone noch gut erkennen. Das von 1969 bis 1975 errichtete Stauwerk ist mit einem Volumen von 227 Mio. Kubikmetern das zweitgrösste der Schweiz und das dritthöchste im Kanton Wallis. Nach rund 20 Minuten Fahrzeit sind die grossen Parkplätze in Sicht, kurz darauf endet die Fahrt unmittelbar vor der Staumauer auf dem 1`960 Meter hohen Col de Gueulaz. 

Die erste von drei Etappen wird mit dem Schräglift "Mini Funic" bewältigt
Die erste von drei Etappen wird mit dem Schräglift "Mini Funic" bewältigt

2143, Lac d`Emosson-Pied du Barrage

Bei schönem Wetter hat man am Lac d`Emosson einen traumhaften Ausblick auf den Mont Blanc. Dieser wunderschöne Fleck ist neben der Buslinie 12.230 auch mit drei äusserst spektakulären Bahnen ab Châtelard erschlossen. Die Saison dauert von anfangs Juni bis ende Oktober. Die erste der drei Sektionen ist das sogenannte Minifunic. Die beiden Kabinen der 1991 erbauten Standseilbahn befördern die Gäste zum Fuss der Staumauer. Sie ersetzte seinerzeit eine Einschienen-Zahnradbahn, 

Das Mini Funic vor der eindrücklichen Staumauer d`Emosson
Das Mini Funic vor der eindrücklichen Staumauer d`Emosson

dessen Transportkapazität nicht mehr ausreichte. Da auf der 260 Meter langen Strecke der beachtliche Höhenunterschied von 140 Höhenmeter überwindet wird, sind die Kabinen mit einer Einrichtung ausgestattet, welche den Boden unabhängig der Steigung stets waagrecht hält. Während der rund zwei minütigen Fahrt ergibt sich nochmals ein letzter Blick auf den Lac d`Emosson mit seiner imposanten 180 Meter hohen Betonbogenstaumauer. Unten bei der "Pied du Barrage" angekommen, heisst es umsteigen. Die zweite Sektion, ein schweizweit einzigartiges Verkehrsmittel, wartet bereits.

In Pied du Barrage wird vom Schräglift auf die einzigartige 600mm Schmalspurbahn umgestiegen
In Pied du Barrage wird vom Schräglift auf die einzigartige 600mm Schmalspurbahn umgestiegen

2143, Pied du Barrage - Les Montuires

Die zweite Etappe führt mit dem sogenannten "petit train panoramic" an der schroffen Felswand entlang nach Les Montuires. Sobald die Gäste umgestiegen sind, kann die knapp 15 minütige Reise im Panorama-Zügli beginnen. Das Trasse der Feldbahn verläuft mit leichter Steigung über eine Terrasse Richtung Les Montuires. Gleich zu Beginn eröffnet sich für die Fahrgäste ein imposanter Ausblick, man kann rund 200 Meter vertikal hinab in die Bouqui-Schlucht blicken. Die Feldbahn mit einer Spurweite von 600 mm 

Wie auf einer Modellbahn schlängelt sich der rote Zug an der Felswand entlang
Wie auf einer Modellbahn schlängelt sich der rote Zug an der Felswand entlang

ist ein wahrer Exot im Schweizer Eisenbahnnetz. Keine andere im Kursbuch veröffentlichte Linie weist solch eine geringe Spurweite auf. Während man in beschaulichem Tempo so daher tuckert, ergibt sich nochmals ein letzter Blick zurück zur imposanten Staumauer sowie dem gesamten Mont-Blanc-Massiv. Die 1,8 Kilometer lange Strecke wurde in den 1920er Jahren als Werkbahn zum Weiler Emosson und der Barberien Baustelle erbaut. Aus jener Zeit stammt auch noch eine original erhaltene Dampflok. Die "Liseli", eine Bn2t aus dem Jahre 1911, steht an ausgewählten Daten nachwievor im Einsatz. 

Der Panoramazug auf dem Weg zum ehemaligen Wasserschloss
Der Panoramazug auf dem Weg zum ehemaligen Wasserschloss

Der "normale" Kursverkehr wird jedoch von Akkumulatoren-Lokomotiven aus dem Jahre 1952 bewältigt. Diese pendeln den ganzen Tag über im Halbstundentakt mit den angehängten offenen Aussichtswagen entlang der spektakulären Berglinie. Die Reihe von Transportbahnen oberhalb von Le Châtelard wurde anfangs der 20er Jahren von den Schweizerischen Bundesbahnen als Zubringer für den Bau der Barberien Staumauer errichtet. 1925 war das Bauwerk fertiggestellt und die erste Kraftwerksanlage wurde in Betrieb genommen. 50 Jahren später wurde der Lac d`Emosson mit der neuen Staumauer stark vergrössert.

 

 

In Les Montuires befindet sich neben dem Bahnhof auch die Remisen und Werkstatt
In Les Montuires befindet sich neben dem Bahnhof auch die Remisen und Werkstatt

Die Anlagen erschienen für die SBB nicht mehr notwendig und sollten abgebrochen werden. Auf private Initiative wurde die Transports Emosson-Barberine SA gegründet, welche sich für den Erhalt der Standseilbahn einsetzte. Mit Erfolg - so konnte der touristische Betrieb zwischen Le Châtelard und dem Lac d`Emosson 1975 eröffnet werden. Im neuen Jahrtausend wurde der Name schliesslich zu Parc d'Attractions du Châtelard VS SA geändert, welche nach wie vor mit grossem Erfolg die einzigartigen Bahnen im Valle du Trient betreibt. Schliesslich endet die einmalige Bahnfahrt beim Wasserschloss von Les Montuires. 

Der im 2015 gelieferte Panorama Wagen steht in der Bergstation bereit
Der im 2015 gelieferte Panorama Wagen steht in der Bergstation bereit

2143, Les Montuires-Le Châtelard VS

Die dritte und letzte Etappe führt mit einem wiederum sehr spektakulären Transportmittel 700 Höhenmeter talwärts nach Le Châtelard. Die 1920 von den SBB erbaute Barberine-Standseilbahn galt bis zu Eröffnung der neuen Stoosbahn im Jahre 2017 als steilste Zweikabinen-Standseilbahn der Welt.  Mit bis zu 87 % Steigung überwindet die Meterspurbahn auf einer Länge von 1310 Metern stolze 700 Höhenmeter. Sie wurde seinerzeit mit zwei inzwischen abgebauten Druckleitungen für interne Zwecke erstellt. 

Während der 10 minütigen Fahrt hat  man einen herrlichen Ausblick
Während der 10 minütigen Fahrt hat man einen herrlichen Ausblick

Doch schon in den Anfangsjahren gab es öffentliche Fahrten. 1935 wurden komfortablere Leichtmetallwagenkästen geliefert, die noch bis 2012 im Einsatz standen. Absolut einzigartig bei der alten Bahn war das Mitführen eines 3,5 Tonnen schweren Ballastwagens im oberen Steckenteil. Der bergwärts fahrende Wagen nahm diesen zum Ausgleich des schweren Zugseils zum anderen Wagen mit. Durch die Modernisierung des Antriebs 1995 war dieser zwar betriebstechnisch nicht mehr notwendig, diente aber noch als spektakuläre Attraktion.

Besonders die steile Linienführung macht diese Bahn so einzigartig
Besonders die steile Linienführung macht diese Bahn so einzigartig

Durch neue Auflagen des BAV musste die Bahn ab 2012 angepasst werden. Gangloff lieferte zwei neue moderne Panoramawagen, von Fatzer kam ein neues Zugseil und Garaventa war für den neuen Antrieb zuständig. 2015 konnte die komplett revidierte Bahn wieder den Betrieb aufnehmen. Auf der rund 10 minütigen Talfahrt hat man einen wunderschönen Ausblick auf das Valle de Trient. Schliesslich endet die spektakuläre Standseilbahnfahrt beim grossen Kraftwerk von Le Châtelard, unmittelbar vor der französischen Grenze. Von hier gelangt man mit dem Zug wieder zurück nach Martigny.


Last Update: 21.11.2023
zuletzt gereist: 07.10.2023